Die Patientenverfügung soll den Willen dokumentieren, den die verfügende Person bewusst für sich in Anspruch nehmen will. Damit wird auch Familienangehörigen und (ärztlichen) Betreuern klar der Wille aufgezeigt. Doch viele - auch junge- Menschen haben eine solche Patientenverfügung nicht. Welche Schwierigkeiten dann auftreten, gerade hinsichtlich des Nachweises eines Sterbewunsches, zeigt nachstehende Entscheidung.
Eine 1963 geborene Frau erlitt im Jahr 2009 eine Gehirnblutung mit
der Folge eines apallischen Syndroms im Sinne eines Wachkomas. Sie wird
über eine Magensonde ernährt; eine Kontaktaufnahme mit ihr ist nicht
möglich. Der Ehemann und die Tochter der Frau, die zu ihren
Betreuern bestellt sind, haben beim Betreuungsgericht beantragt, den
Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen zu genehmigen. Hilfsweise haben sie
die Feststellung beantragt, dass die Einstellung der künstlichen
Ernährung nicht genehmigungsbedürftig sei. Sie stützen ihren Antrag
darauf, dass sich die Betroffene vor ihrer Erkrankung gegenüber
Familienangehörigen und Freunden gegen eine Inanspruchnahme von
lebenserhaltenden Maßnahmen für den Fall einer schweren Krankheit
ausgesprochen habe.
Das Amtsgericht Stollberg hatte den Antrag und den Hilfsantrag abgewiesen, das Landgericht Chemnitz die Beschwerde der Familienangehörigen/Betreuer zurückgewiesen.
Auf eine Rechtsbeschwerde hin hat der Bundesgerichtshof (XII ZB 202/13) den Familienangehörigen Recht gegeben.
Nach § 1904 II BGB bedarf die
Nichteinwilligung oder der Widerruf der Einwilligung des Betreuers in
eine Heilbehandlung oder einen ärztlichen Eingriff der Genehmigung des
Betreuungsgerichts, wenn die Maßnahme medizinisch angezeigt ist und die
begründete Gefahr besteht, dass der Betroffene auf Grund des
Unterbleibens bzw. des Abbruchs der lebenserhaltenden Maßnahme stirbt.
Eine solche betreuungsgerichtliche Genehmigung ist jedoch dann nicht erforderlich, wenn der Betroffene einen
entsprechenden eigenen Willen bereits in einer bindenden
Patientenverfügung nach § 1901a I BGB niedergelegt hat und diese
auf die konkret eingetretene Lebens- und Behandlungssituation zutrifft.
Liegt dagegen keine wirksame Patientenverfügung vor, habe der Betreuer
die Behandlungswünsche oder den mutmaßlichen Willen des Betreuten
festzustellen. Die hierauf beruhende Entscheidung
des Betreuers bedürfe dann nicht der betreuungsgerichtlichen
Genehmigung, wenn zwischen ihm und dem behandelnden Arzt Einvernehmen
darüber besteht, dass die Nichterteilung oder der Widerruf der
Einwilligung dem festgestellten Willen des Betroffenen entspricht (§
1904 IV BGB).
In den verbleibenden Fällen, in denen eine betreuungsgerichtliche
Genehmigung erforderlich ist, sei diese gemäß § 1904 III BGB vom
Betreuungsgericht zu erteilen, wenn die Nichteinwilligung oder der
Widerruf der Einwilligung dem Willen des Betroffenen entspricht. Das
Betreuungsgericht habe bei dieser Prüfung zwischen den Behandlungswünschen einerseits und dem mutmaßlichen Willen
des Betroffenen andererseits zu unterscheiden. Behandlungswünsche
könnten etwa alle Äußerungen eines Betroffenen sein, die Festlegungen
für eine konkrete Lebens- und Behandlungssituation enthalten, aber den
Anforderungen an eine Patientenverfügung i.S.d. § 1901a I BGB nicht
genügten. Auf den mutmaßlichen Willen des Betroffenen sei nur
abzustellen, wenn sich ein erklärter Wille des Betroffenen nicht
feststellen lässt.
Für die Feststellung des behandlungsbezogenen Patientenwillens
gelten strenge Beweismaßstäbe, die der hohen Bedeutung der betroffenen
Rechtsgüter – dem Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen einerseits und
dem Schutz des Lebens andererseits – Rechnung zu tragen haben. Die bei
der Ermittlung und der Annahme eines Behandlungswunsches oder des
mutmaßlichen Willens zu stellenden strengen Anforderungen gelten unabhängig davon, ob der Tod des Betroffenen
unmittelbar bevorstehe oder nicht.
Auf der Grundlage dieser gesetzlichen Regelungen hat der Bundesgerichtshof die angefochtene Entscheidung
aufgehoben. Das Landgericht Chemnitz sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass hier
wegen des nicht unmittelbar bevorstehenden Todes der Betroffenen noch
strengere Beweisanforderungen für die Feststellung des mutmaßlichen
Patientenwillens gälten, als in anderen Fällen. Bei seiner erneuten
Prüfung werde das LG Chemnitz etwaige geäußerte Behandlungswünsche der
Betroffenen unter Anlegung des zutreffenden Prüfungsmaßstabs neu zu
ermitteln haben.
Wie gestaltet sich der Übergang in die Rente? Was muss in einer Vorsorgevollmacht stehen? Ist die testamentarische Regelung sinnvoll? Wie setze ich meine Recht auf Reisen durch? Viele neuen Fragen stellen sich - hier erscheinen Anekdoten, Hinweise und Tipps.
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Freitag, 17. Oktober 2014
Dienstag, 3. Januar 2012
Anmerkungen zur christlichenn Patientenvorsorge
Viele Mitglieder der Kirchen sind verunsichert, ob eine Vorsorgevollmacht bzw. Patientenverfügung Sinn macht und was darin geregelt werden sollte. Die Kirchen bieten eine sogenannte "christliche Patientenvorsorge" an, was ein Formular nebst Hinweisen enthält. Der Vormundschaftsrichter Dr. Rolf Coeppicus (Amtsgericht Oberhausen) hat in einem Artikel in der Fachzeitschrift NJW (NJW 2011, Seite 3749) auf einige bedenkenswerte Punkte hingewiesen.
1. Die christliche Patientenverfügung regelt eine Behandlungsuntersagung nur im "unmittelbaren Sterbeprozess", mithin nicht bei dauerhafter Bewußtlosigkeit (Wachkoma) und/oder schwerer Demenz. Die meisten Menschen befürworten jedoch eine Vorsorgeregelung schon weit vor dem eigentlichen Sterbeprozess, z.B. bei Dauerbewußtlosigkeit etc. Dies ist in der christlichen Patienverfügung nur im Rahmen ergänzender Verfügungen möglich.
2. Es wird unterschieden zwischen künstlicher Ernährung und künstlicher Flüssigkeitszufuhr. Diese Unterscheidung kann dazu führen, dass keine Ernährung mehr stattfindet, aber eine künstliche Flüssigkeitszufuhr die Lebenszeit weit verlängern kann. Nach der Formulierung in der Patientenverfügung entscheidet nicht der Ersteller bzw. Unterzeichner, sondern später der behandelnde Arzt über die Flüssigkeitszufuhr (weil ebenkeine Entscheidung des Unterzeichners vorliegt).
3. Eine Schmerzbehandlung mit evtl. lebensverkürzenden Schmerzmitteln wird nur für die Sterbephase vorgesehen. In allen anderen Fällen kann es passieren, dass der Bewußtlose oder schwer demente Mensch starke Schmerzen hinnehmen muss.
4. Die Vorsorgevollmacht beinhaltet die Möglichkeit, dass der Vertreter des Vollmachtgebers sich über Anweisungen in der Patientenverfügung hinwegsetzen kann.
Vor diesem Hintergrund ist anzuraten, sich erst nach fachlich kompetenter Beratung informiert und individuell zu entscheiden und nicht blindlings auf Formulare zu vertrauen.
1. Die christliche Patientenverfügung regelt eine Behandlungsuntersagung nur im "unmittelbaren Sterbeprozess", mithin nicht bei dauerhafter Bewußtlosigkeit (Wachkoma) und/oder schwerer Demenz. Die meisten Menschen befürworten jedoch eine Vorsorgeregelung schon weit vor dem eigentlichen Sterbeprozess, z.B. bei Dauerbewußtlosigkeit etc. Dies ist in der christlichen Patienverfügung nur im Rahmen ergänzender Verfügungen möglich.
2. Es wird unterschieden zwischen künstlicher Ernährung und künstlicher Flüssigkeitszufuhr. Diese Unterscheidung kann dazu führen, dass keine Ernährung mehr stattfindet, aber eine künstliche Flüssigkeitszufuhr die Lebenszeit weit verlängern kann. Nach der Formulierung in der Patientenverfügung entscheidet nicht der Ersteller bzw. Unterzeichner, sondern später der behandelnde Arzt über die Flüssigkeitszufuhr (weil ebenkeine Entscheidung des Unterzeichners vorliegt).
3. Eine Schmerzbehandlung mit evtl. lebensverkürzenden Schmerzmitteln wird nur für die Sterbephase vorgesehen. In allen anderen Fällen kann es passieren, dass der Bewußtlose oder schwer demente Mensch starke Schmerzen hinnehmen muss.
4. Die Vorsorgevollmacht beinhaltet die Möglichkeit, dass der Vertreter des Vollmachtgebers sich über Anweisungen in der Patientenverfügung hinwegsetzen kann.
Vor diesem Hintergrund ist anzuraten, sich erst nach fachlich kompetenter Beratung informiert und individuell zu entscheiden und nicht blindlings auf Formulare zu vertrauen.
Montag, 17. Oktober 2011
Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung
Wer sich bewusst auseinandersetzt mit seinem möglichen Lebensende überblickt möglicherweise nicht allle wesentlichen Punkte. Wird in einer Patientenverfügung (meist im Rahmen einer Beratung über eine Vorsorgevollmacht mit besprochen und erstellt) bestimmt, dass ein Patient keine lebensverlängernden ärztlichen Maßnahmen ab einem bestimmten Stadium wünscht, kann dies einer Organspende aus medizinischen Gründen entgegenstehen.
Vereinfacht gesagt, ist eine Organtransplantation erst nach Feststellung des Hirntodes möglich. Zugleich muss der Herzstillstand bereits seit 3 Stunden vorliegen, da nach der Bundesärztekammer erst dann sich von einem Tod ausgegangen werden könne. Im Rahmen eines Sterbeprozess nach Bestimmungen einer Patienverfügung tritt jedoch zumeist der Herzstillstand und sodann der Hirntod ein. Ein weiteres Zuwarten von bis zu 3 Stunden führt zur Untauglichkeit als Organspender. Hierauf verweist ein Artikel auf lto.de vom 17.10.2011 des Kollegen Dipl.-Jur. Sebastian T. Vogel.
Wer also eine Patienverfügung verfasst und gleichzeitig bereit ist als Organspender eine entsprechende Erklärung abzugeben, sollte diesen Widerspruch kennen.
Der Autor des lto-Artikels schlägt vor, dass die Möglichkeit einer Organentnahme bereits 10 Minuten nach Herzstillstand möglich sein sollte. Damit könnte trotz Berücksichtigung einer entsprechenden Patientenverfügung ein Organtransplantation durchgeführt werden. Entsprechendes müsste in der Patientenverfügung geregelt werden.
Vereinfacht gesagt, ist eine Organtransplantation erst nach Feststellung des Hirntodes möglich. Zugleich muss der Herzstillstand bereits seit 3 Stunden vorliegen, da nach der Bundesärztekammer erst dann sich von einem Tod ausgegangen werden könne. Im Rahmen eines Sterbeprozess nach Bestimmungen einer Patienverfügung tritt jedoch zumeist der Herzstillstand und sodann der Hirntod ein. Ein weiteres Zuwarten von bis zu 3 Stunden führt zur Untauglichkeit als Organspender. Hierauf verweist ein Artikel auf lto.de vom 17.10.2011 des Kollegen Dipl.-Jur. Sebastian T. Vogel.
Wer also eine Patienverfügung verfasst und gleichzeitig bereit ist als Organspender eine entsprechende Erklärung abzugeben, sollte diesen Widerspruch kennen.
Der Autor des lto-Artikels schlägt vor, dass die Möglichkeit einer Organentnahme bereits 10 Minuten nach Herzstillstand möglich sein sollte. Damit könnte trotz Berücksichtigung einer entsprechenden Patientenverfügung ein Organtransplantation durchgeführt werden. Entsprechendes müsste in der Patientenverfügung geregelt werden.
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