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Freitag, 17. Oktober 2014

Wie ist ein Sterbewunsch ohne Patientenverfügung nachzuweisen?

Die Patientenverfügung soll den Willen dokumentieren, den die verfügende Person bewusst für sich in Anspruch nehmen will. Damit wird auch Familienangehörigen und (ärztlichen) Betreuern klar der Wille aufgezeigt. Doch viele - auch junge- Menschen haben eine solche Patientenverfügung nicht. Welche Schwierigkeiten dann auftreten, gerade hinsichtlich des Nachweises eines Sterbewunsches, zeigt nachstehende Entscheidung.

Eine 1963 geborene Frau erlitt im Jahr 2009 eine Gehirnblutung mit der Folge eines apallischen Syndroms im Sinne eines Wachkomas. Sie wird über eine Magensonde ernährt; eine Kontaktaufnahme mit ihr ist nicht möglich. Der Ehemann und die Tochter der Frau, die zu ihren Betreuern bestellt sind, haben beim Betreuungsgericht beantragt, den Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen zu genehmigen. Hilfsweise haben sie die Feststellung beantragt, dass die Einstellung der künstlichen Ernährung nicht genehmigungsbedürftig sei. Sie stützen ihren Antrag darauf, dass sich die Betroffene vor ihrer Erkrankung gegenüber Familienangehörigen und Freunden gegen eine Inanspruchnahme von lebenserhaltenden Maßnahmen für den Fall einer schweren Krankheit ausgesprochen habe.

Das Amtsgericht Stollberg hatte den Antrag und den Hilfsantrag abgewiesen, das Landgericht Chemnitz die Beschwerde der Familienangehörigen/Betreuer zurückgewiesen.

Auf eine Rechtsbeschwerde hin hat der Bundesgerichtshof (XII ZB 202/13) den Familienangehörigen Recht gegeben.


Nach § 1904 II BGB bedarf die Nichteinwilligung oder der Widerruf der Einwilligung des Betreuers in eine Heilbehandlung oder einen ärztlichen Eingriff der Genehmigung des Betreuungsgerichts, wenn die Maßnahme medizinisch angezeigt ist und die begründete Gefahr besteht, dass der Betroffene auf Grund des Unterbleibens bzw. des Abbruchs der lebenserhaltenden Maßnahme stirbt. Eine solche betreuungsgerichtliche Genehmigung ist jedoch dann nicht erforderlich, wenn der Betroffene einen entsprechenden eigenen Willen bereits in einer bindenden Patientenverfügung nach § 1901a I BGB niedergelegt hat und diese auf die konkret eingetretene Lebens- und Behandlungssituation zutrifft.

Liegt dagegen keine wirksame Patientenverfügung vor, habe der Betreuer die Behandlungswünsche oder den mutmaßlichen Willen des Betreuten festzustellen. Die hierauf beruhende Entscheidung des Betreuers bedürfe dann nicht der betreuungsgerichtlichen Genehmigung, wenn zwischen ihm und dem behandelnden Arzt Einvernehmen darüber besteht, dass die Nichterteilung oder der Widerruf der Einwilligung dem festgestellten Willen des Betroffenen entspricht (§ 1904 IV BGB).

In den verbleibenden Fällen, in denen eine betreuungsgerichtliche Genehmigung erforderlich ist, sei diese gemäß § 1904 III BGB vom Betreuungsgericht zu erteilen, wenn die Nichteinwilligung oder der Widerruf der Einwilligung dem Willen des Betroffenen entspricht. Das Betreuungsgericht habe bei dieser Prüfung zwischen den Behandlungswünschen einerseits und dem mutmaßlichen Willen des Betroffenen andererseits zu unterscheiden. Behandlungswünsche könnten etwa alle Äußerungen eines Betroffenen sein, die Festlegungen für eine konkrete Lebens- und Behandlungssituation enthalten, aber den Anforderungen an eine Patientenverfügung i.S.d. § 1901a I BGB nicht genügten. Auf den mutmaßlichen Willen des Betroffenen sei nur abzustellen, wenn sich ein erklärter Wille des Betroffenen nicht feststellen lässt.

Für die Feststellung des behandlungsbezogenen Patientenwillens gelten strenge Beweismaßstäbe, die der hohen Bedeutung der betroffenen Rechtsgüter – dem Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen einerseits und dem Schutz des Lebens andererseits – Rechnung zu tragen haben. Die bei der Ermittlung und der Annahme eines Behandlungswunsches oder des mutmaßlichen Willens zu stellenden strengen Anforderungen gelten unabhängig davon, ob der Tod des Betroffenen unmittelbar bevorstehe oder nicht.

Auf der Grundlage dieser gesetzlichen Regelungen hat der Bundesgerichtshof die angefochtene Entscheidung aufgehoben. Das Landgericht Chemnitz sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass hier wegen des nicht unmittelbar bevorstehenden Todes der Betroffenen noch strengere Beweisanforderungen für die Feststellung des mutmaßlichen Patientenwillens gälten, als in anderen Fällen. Bei seiner erneuten Prüfung werde das LG Chemnitz etwaige geäußerte Behandlungswünsche der Betroffenen unter Anlegung des zutreffenden Prüfungsmaßstabs neu zu ermitteln haben.

Dienstag, 3. Januar 2012

Anmerkungen zur christlichenn Patientenvorsorge

Viele Mitglieder der Kirchen sind verunsichert, ob eine Vorsorgevollmacht bzw. Patientenverfügung Sinn macht und was darin geregelt werden sollte. Die Kirchen bieten eine sogenannte "christliche Patientenvorsorge" an, was ein Formular nebst Hinweisen enthält. Der Vormundschaftsrichter Dr. Rolf Coeppicus (Amtsgericht Oberhausen) hat in einem Artikel in der Fachzeitschrift NJW (NJW 2011, Seite 3749) auf einige bedenkenswerte Punkte hingewiesen.

1. Die christliche Patientenverfügung regelt eine Behandlungsuntersagung nur im "unmittelbaren Sterbeprozess", mithin nicht bei dauerhafter Bewußtlosigkeit (Wachkoma) und/oder schwerer Demenz. Die meisten Menschen befürworten jedoch eine Vorsorgeregelung schon weit vor dem eigentlichen Sterbeprozess, z.B. bei Dauerbewußtlosigkeit etc. Dies ist in der christlichen Patienverfügung nur im Rahmen ergänzender Verfügungen möglich.

2. Es wird unterschieden zwischen künstlicher Ernährung und künstlicher Flüssigkeitszufuhr. Diese Unterscheidung kann dazu führen, dass keine Ernährung mehr stattfindet, aber eine künstliche Flüssigkeitszufuhr die Lebenszeit weit verlängern kann. Nach der Formulierung in der Patientenverfügung entscheidet nicht der Ersteller bzw. Unterzeichner, sondern später der behandelnde Arzt über die Flüssigkeitszufuhr (weil ebenkeine Entscheidung des Unterzeichners vorliegt).

3. Eine Schmerzbehandlung mit evtl. lebensverkürzenden Schmerzmitteln wird nur für die Sterbephase vorgesehen. In allen anderen Fällen kann es passieren, dass der Bewußtlose oder schwer demente Mensch starke Schmerzen hinnehmen muss.

4. Die Vorsorgevollmacht beinhaltet die Möglichkeit, dass der Vertreter des Vollmachtgebers sich über Anweisungen in der Patientenverfügung hinwegsetzen kann.

Vor diesem Hintergrund ist anzuraten, sich erst nach fachlich kompetenter Beratung informiert und individuell zu entscheiden und nicht blindlings auf Formulare zu vertrauen.

Montag, 17. Oktober 2011

Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung

Wer sich bewusst auseinandersetzt mit seinem möglichen Lebensende überblickt möglicherweise nicht allle wesentlichen Punkte. Wird in einer Patientenverfügung (meist im Rahmen einer Beratung über eine Vorsorgevollmacht mit besprochen und erstellt) bestimmt, dass ein Patient keine lebensverlängernden ärztlichen Maßnahmen ab einem bestimmten Stadium wünscht, kann dies einer Organspende aus medizinischen Gründen entgegenstehen.

Vereinfacht gesagt, ist eine Organtransplantation erst nach Feststellung des Hirntodes möglich. Zugleich muss der Herzstillstand bereits seit 3 Stunden vorliegen, da nach der Bundesärztekammer erst dann sich von einem Tod ausgegangen werden könne. Im Rahmen eines Sterbeprozess nach Bestimmungen einer Patienverfügung tritt jedoch zumeist der Herzstillstand und sodann der Hirntod ein. Ein weiteres Zuwarten von bis zu 3 Stunden führt zur Untauglichkeit als Organspender. Hierauf verweist ein Artikel auf lto.de vom 17.10.2011 des Kollegen Dipl.-Jur. Sebastian T. Vogel.

Wer also eine Patienverfügung verfasst und gleichzeitig bereit ist als Organspender eine entsprechende Erklärung abzugeben, sollte diesen Widerspruch kennen.

Der Autor des lto-Artikels schlägt vor, dass die Möglichkeit einer Organentnahme bereits 10 Minuten nach Herzstillstand möglich sein sollte. Damit könnte trotz Berücksichtigung einer entsprechenden Patientenverfügung ein Organtransplantation durchgeführt werden. Entsprechendes müsste in der Patientenverfügung geregelt werden.