Montag, 1. Juni 2015

kein Erbrecht für Geschäftsführerin eines ambulanten Pflegedienstes

Eine ledige und kinderlose Erblasserin wurde seit Jahren bis zu ihrem Tod von dem ambulanten Pflegedienst der Geschäftsführerin betreut. Die Geschäftsführerin selbst hatte die Erblasserin anlässlich eines Krankenhausaufenthaltes kennengelernt, diese ab dann regelmäßig besucht, gemeinsame Ausflüge unternommen und zweimal in der Woche mit ihr zusammen Mittag gegessen. Knapp ein Jahr vor ihrem Tod schloss die Erblasserin mit der Geschäftsführerin einen notariellen Erbvertrag, mit dem diese als ihre alleinige Erbin eingesetzt wurde. Nach dem Tod der Erblasserin beantragte die Geschäftsführerin auf der Grundlage des Erbvertrages einen Erbschein, der ihr vom Nachlassgericht erteilt wurde. Der Wert des Nachlasses betrug rund 100.000 Euro.

Nachdem das Regierungspräsidium als Aufsichtsbehörde ein Bußgeldverfahren gegen die Geschäftsführerin wegen Verstoßes gegen das Verbot in § 7 Hessisches Gesetz über Betreuungs und Pflegeleistungen (HGBP) eingeleitet hatte, zog das Nachlassgericht den Erbschein als unrichtig wieder ein. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Geschäftsführerin.

Das OLG Frankfurt hat die Beschwerde zurückgewiesen.

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist die Geschäftsführerin nicht Alleinerbin geworden, da der Erbvertrag wegen Verstoßes gegen § 7 HGBP unwirksam ist. Die Vorschrift untersage es der Leitung und den Mitarbeitern einer Betreuungs- oder Pflegeeinrichtung, sich von Betreuungs und Pflegebedürftigen neben der vereinbarten Vergütung Geld oder geldwerte Leistungen für die Pflegeleistungen versprechen oder gewähren zu lassen. Anders als die Vorgängernorm (§ 14 Heimgesetz) erstrecke sich § 7 HGPB nunmehr ausdrücklich auch auf ambulante Betreuungs und Pflegeeinrichtungen und deren Leitung. Die Regelung solle verhindern, dass die Hilf- oder Arglosigkeit alter und pflegebedürftiger Menschen in finanzieller Hinsicht ausgenutzt werde und diene auch dazu, ihre Testierfreiheit zu sichern. Bei einer Erbeinsetzung wie hier liege ein Verstoß allerdings nur dann vor, wenn die Erbeinsetzung im Zusammenhang mit der Erfüllung der Pflichten aus dem Pflegevertrag erfolge. Hierfür bestehe eine gesetzliche Vermutung, die nur durch den Beweis des Gegenteils widerlegt werden könne. Diesen Beweis habe die Geschäftsführerin jedoch nicht erbringen können. Zwar sei nach der Beweisaufnahme davon auszugehen, dass zwischen ihr und der Erblasserin eine freundschaftliche und eine über eine Geschäftsbeziehung hinausgehende Bindung vorgelegen habe. Es könne aber nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, dass kein Zusammenhang zwischen dem Erbvertrag und den Pflegeleistungen bestanden habe. Eine eindeutige Trennung zwischen dienstlicher und freundschaftlicher Beziehung sei nicht erkennbar und dürfte in der vorliegenden Konstellation praktisch auch nicht möglich sein. Gerade in Fällen unklarer Beweislage, in denen die Motive und Gründe sowie die Zusammenhänge der Zuwendung offen blieben, müsse das Verbot im Interesse des Schutzes der Testierfreiheit eingreifen.

Die Entscheidung ist rechtskräftig.

Montag, 13. April 2015

Erbverzicht gilt auch für Kinder

Wer einen Erbverzicht erklärt, erklärt dies meist auch für seine Nachkommen, wenn er dies nicht separat ausschließt.


Die in Dortmund wohnenden Eltern des Erstbeteiligten aus Hamm errichteten 1980 ein gemeinschaftliches Testament mit Pflichtteilsstrafklausel, in dem sie den Überlebenden zum befreiten Vorerben und zwei ihrer Kinder, den 1963 geborenen Erstbeteiligten und seine 1957 geborene Schwester, zu gleichen Teilen als Nacherben einsetzten. Nach dem Tode des 78jährigen Vaters im Jahre 1993 schlossen die überlebende Mutter mit dem Erstbeteiligten und der bedachten Schwester im Jahre 2001 einen notariellen Vertrag, in dem die Schwester ihr Nacherbenrecht auf den Erstbeteiligten übertrug und erklärte, auch auf ihr gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht zu verzichten. Hintergrund waren Zuwendungen von 180.000 DM, die die Schwester bereits von der Mutter erhalten hatte bzw. noch erhalten sollte. Die Schwester verstarb im Jahre 2002, sie hinterließ zwei Kinder, u.a. die Drittbeteiligte aus Duisburg als ihre Tochter. In einem handschriftlichen Testament aus dem Jahre 2013 bestimmte die Mutter die Drittbeteiligte und einen Zweitbeteiligten aus Düsseldorf zu Erben. Ende des Jahre 2013 verstarb die Mutter im Alter von 82 Jahren. In der Folgezeit haben die Beteiligten um die ihr zustehenden Erbrechte nach dem Tode der Mutter als Erblasserin gestritten, wobei der Erstbeteiligte der Ansicht war, Alleinerbe zu sein, während der Zweit- und die Drittbeteiligte meinten, dass sie die Erblasserin als Miterben beerbt hätten.

Das AG Dortmund hat entschieden, dass der Erstbeteiligte der Alleinerbe seiner Mutter geworden ist.
Das OLG Hamm hat die Entscheidung des Amtsgerichts bestätigt.

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts im vorliegenden Fall sind der Erstbeteiligte und seine im Jahre 2002 verstorbene Schwester durch das im Jahre 1980 errichtete gemeinschaftliche Testament der Eltern zu Erben nach dem Tode des letzten Elternteils eingesetzt worden. Durch den notariellen Vertrag aus dem Jahre 2001 habe die Schwester auf ihr gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht und auch auf das ihr durch das gemeinschaftliche Testament zugewandte Erbrecht verzichtet. Sie sei deswegen als Erbin weggefallen.

Ihre Kinder seien nicht als Ersatzerben berufen. Der Zuwendungsverzicht der Schwester erstrecke sich auch auf ihre Abkömmlinge. Die nach dem Gesetz mögliche andere Bestimmung sei im Verzichtsvertrag nicht getroffen worden. Damit sei der Erbteil der Schwester beim Tode der Erblasserin dem Erstbeteiligten angewachsen. Insoweit enthalte auch das gemeinschaftliche Testament keine anderweitige Bestimmung.

Die Erblasserin sei nach dem Tode ihres Ehemanns gehindert gewesen, ihre Enkelin und den Zweitbeteiligten als Erben einzusetzen. Dem stehe das gemeinschaftliche Testament aus dem Jahre 1980 entgegen, das auch hinsichtlich der Alleinerbenstellung des Erstbeteiligten bindend sei. Seine Bindungswirkung erfasse den dem Erstbeteiligten nach dem Wegfall seiner Schwester zugewachsenen Erbteil. Das ergebe die Auslegung des Testaments. Der vorliegende Fall sei mit dem Fall vergleichbar, bei dem ein Pflichtteilsberechtigter aufgrund einer Pflichtteilsstrafklausel als Schlusserbe ausscheide, weil er zu Lebzeiten des überlebenden Ehegatten seinen Pflichtteil verlange. Auch in diesem Fall wachse sein Erbteil den übrigen testamentarisch bedachten Erben zu. Zwar sei die Schwester nicht aufgrund eines Pflichtteilsverlangens weggefallen, sie habe aber – vergleichbar mit einem solchen Verlangen – ihren Erbverzicht erklärt, weil sie zu Lebzeiten Zuwendungen erhalten habe.

Grundsätzlich gelte folgendes:
  • Wer auf einen ihm testamentarisch zugewandten Erbteil verzichtet, schließt auch seine Kinder vom Erbteil aus, wenn die Verzichtsvereinbarung nichts anderes bestimmt.
  • Verzichtet ein Miterbe auf seine verbindlich gewordene Erbeinsetzung in einem gemeinschaftlichen Testament mit Pflichtteilsstrafklausel, kann der überlebende Ehegatte über den Erbteil des Verzichtenden nicht anderweitig, z.B. zugunsten eines Kindes des Verzichtenden verfügen.
Der Beschluss ist rechtskräftig.

Anmerkung:
Dass der Verzicht auf einen testamentarisch zugewandten Erbteil grundsätzlich auch die Kinder des Verzichtenden vom Erbteil ausschließt, gilt aufgrund einer Änderung des § 2352 BGB für Erbfälle ab dem 01.01.2010. Diese gesetzliche Regelung stimmt nunmehr mit der Regelung des BGB für die Wirkung des Verzichts auf einen gesetzlichen Erbteil überein.

Donnerstag, 15. Januar 2015

Zank unter Ehefrauen

Zank unter Frauen und Männern soll schon vorkommen. Besonders heftig ist der Streit bestimmt, wenn sich Ex-Frau und 2. Ehefrau eines verstorbenen Mannes um dessen Erbe streiten.

Der 1945 geborene Erblasser heiratete 1982 seine erste Ehefrau und errichtete mit ihr im Jahre 2003 ein privatschriftliches gemeinschaftliches Testament, in dem sich die Eheleute wechselseitig zum alleinigen Erben des Erstversterbenden einsetzten. In einem Nachtrag vereinbarten die Eheleute, dass das Testament auch im Falle der Ehescheidung gelten sollte. Die Ehe wurde 2011 geschieden. Kurz darauf heiratete der Erblasser seine zweite Ehefrau. Mit dieser errichtete er Anfang 2012 ein notarielles Testament, in dem er u.a. seine früheren letztwilligen Verfügungen widerrief. Zu Lebzeiten des Erblassers ist das notarielle Testament aus dem Jahre 2012 der ersten Ehefrau nicht übermittelt worden. Nach dem Tode des Erblassers im Februar 2013 hat die zweite Ehefrau das Testament aus dem Jahre 2003 angefochten, weil sie als Pflichtteilsberechtigte übergangen worden sei. Die erste Ehefrau hat das Testament aus dem Jahre 2003 für wirksam erachtet und die Erteilung eines sie als Alleinerbin ausweisenden Erbscheins beantragt.

Das AG Arnsberg hatte der ersten Ehefrau den gewünschten Erbschein erteilt.

Das OLG Hamm hat den erstinstanzlichen Beschluss abgeändert und den Erbscheinsantrag abgelehnt.

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist die erste Ehefrau nicht Erbin geworden, weil die zweite Ehefrau das Testament aus dem Jahre 2003 wirksam angefochten habe. Das Testament aus dem Jahre 2003 sei zwar aufgrund des Nachtrags der damaligen Eheleute nicht mit der Scheidung unwirksam geworden. Auch habe es der Erblasser mit dem 2012 errichteten, neuen Testament nicht wirksam widerrufen, weil der Widerruf gegenüber der ersten Ehefrau zu erklären gewesen wäre und der Erblasser zu seinen Lebzeiten versäumt habe, seiner ersten Ehefrau den Widerruf zu übermitteln.
Die zweite Ehefrau habe das erste Testament aber wirksam angefochten. Sie habe die Anfechtung innerhalb der mit dem Tode des Erblassers beginnenden Jahresfrist erklärt. Die Anfechtung sei sachlich begründet, weil die zweite Ehefrau zur Zeit des Erbfalls eine Pflichtteilsberechtigte sei, die das Testament aus dem Jahre 2003 nicht berücksichtige. Das berechtige zur Testamentsanfechtung, weil das Gesetz vermute, dass der Erblasser den Pflichtteilsberechtigten bei Kenntnis der späteren Sachlage nicht übergangen hätte. Eine Anfechtung sei nur dann ausgeschlossen, wenn anzunehmen sei, dass der Erblasser die in Frage stehende letztwillige Verfügung auch bei Kenntnis der späteren Sachlage getroffen haben würde. Hiervon sei im vorliegenden Fall nicht auszugehen. Nach dem seinerzeit vereinbarten Nachtrag habe das Testament des Jahres 2003 nur bei der Scheidung weitergelten sollen. Dafür, dass es nach dem Willen des Erblassers auch im Falle seiner Wiederverheiratung weitergelten sollte, gebe es keine konkreten Anhaltspunkte.