Donnerstag, 6. Juni 2013

Schadensersatz vom Pflegeheim wegen heißem Tee in Thermoskanne

Eine 73 Jahre alte und pflegebedürftige Heimbewohnerin war beim Essen und Trinken auf Hilfe angewiesen und saß im Rollstuhl (Pflegestufe III). Nach dem Mittagessen wurde sie zusammen mit anderen, unter anderem auch demenzkranken Heimbewohnern unbeaufsichtigt in einem Aufenthaltsraum zurückgelassen. Das Pflegepersonal hatte zuvor heißen Tee in Thermoskannen abgefüllt und auf die Fensterbank gestellt. Später wurden bei der alten Dame erhebliche Verbrennungen an den Oberschenkeln festgestellt. Sie musste länger als einen Monat im Krankenhaus behandelt werden, unter anderem waren auch Hauttransplantationen erforderlich.

Die Behandlungskosten über 85.000 Euro zahlte zunächst die Krakenkasse, wollte diese anschließend aber vom Heimbetreiber ersetzt haben.

Das OLG Schleswig hat den Heimbetreiber verurteilt, der Krankenkasse die Behandlungskosten i.H.v. mehr als 85.000 Euro zu ersetzen.

Nach Auffassung des Gerichts ist der Heimbetreiber der Krankenkasse zum Schadensersatz verpflichtet (vertragliche und deliktische Ansprüche aus übergegangenem Recht gemäß § 116 SGB X).

Es liege eine Pflichtverletzung des Pflegepersonals vor, wenn heißer Tee in Thermoskannen unbeaufsichtigt in einem Raum mit pflegebedürftigen Heimbewohnern, auch Demenzerkrankten, gelassen werde, auch dann, wenn die Verletzte selbst aufgrund ihrer Behinderung nicht die Möglichkeit hatte, die auf der Fensterbank abgestellten Thermoskannen zu erreichen.

Es sei für das Pflegepersonal vorhersehbar gewesen, dass sich ein in diesem Aufenthaltsraum befindlicher anderer Bewohner einer Thermoskanne bemächtigen könnte, um dann der alten Dame Tee einzuschenken, den sie entweder beim Ansetzen zum Trinken verschütte, oder aber es beim Verschütten durch diesen weiteren Bewohner zu erheblichen Verbrühungen komme. Eine andere ernsthafte Möglichkeit eines abweichenden Schadenverlaufs sei nicht ersichtlich.

Gegenüber Heimbewohnern habe der Betreiber des Heims Leistungen nach dem anerkannten Stand medizinisch-pflegerischer Erkenntnisse zu erbringen und ihn treffe darüber hinaus eine Obhutspflicht insbesondere im Zusammenhang mit übernommenen Pflegeaufgaben. Es sei voraussehbar gewesen, dass eine der Thermoskannen ergriffen und der alten Dame dann eingeschenkt werde. Das Personal hätte dies bei Anwesenheit im Raum verhindern können und im Rahmen der Aufsichtspflicht auch müssen.

Zwar sei es dem Personal nicht abzuverlangen, ständige Aufsicht zu führen. Denn nach dem Heimgesetz solle die Selbstständigkeit und Selbstverantwortung der Bewohner gewahrt und gefördert werden. Auch müsse eine Betreuung mit einem vernünftigen und finanziell tragbaren Aufwand überhaupt realisierbar sein.

Dem Heimbetreiber sei es aber ohne finanziell erheblichen Aufwand möglich gewesen, das vorhersehbare Schadensgeschehen abzuwenden. So hätte es ausgereicht, dass das Personal bei Verlassen des Aufenthaltsraumes diese Thermoskannen schlicht mitnehme, um damit eine Gefahr abzuwenden, der die Heimbewohnerin ansonsten ausgeliefert gewesen wäre.

Der Annahme einer Pflichtverletzung stehe nicht entgegen, dass der Tee beim Herausgehen des Personals aus dem Aufenthaltsraum nicht mehr kochend heiß war. Denn auch nicht mehr kochend heißer Tee vermag schon ab einer Temperatur von etwa 60 Grad Verbrühungen in nicht unerheblichem Maße auszulösen, mithin bei einer Temperatur die auch nach geraumer Zeit nach dem Einschenken kochend heißen Tees in Thermoskannen vorhanden sein könne.

Dienstag, 4. Juni 2013

Erbfolgeskizze im Testament - alles unwirksam!

Ein Testament kann durch eigenhändig geschrieben Text erstellt werden nach § 2247 BGB. Doch was ist, wenn die gewünschte Erbfolge kompliziert ist und Schaubilder bzw. Skizzen die gewünschte Verteilung in der Testamentsurkunde plastisch aufzeigen? Damit musste sich das OLG Frankfurt/Main auseinandersetzen.

Ein Erblasser hinterließ eine Ehefrau, eine nichteheliche Lebensgefährtin und weitere entfernte Verwandte. Er hatte ein Testament errichtet, in welchem er Textpassagen handschriftlich niederschrieb und Pfeildiagramme einzeichnete. Die Pfeile in den Diagrammen sollten die von ihm gewünschte Erbfolge aufzeigen.

Nach seinem Tod beantragte seine Ehefrau einen Alleinerbschein aufgrund gesetzlicher Erbfolge, slso so, als ob es das Testament nicht gäbe. Die Verwandten widersprachen, waren sie ihrer Meinung nach doch Erben aufgrund des Testaments.

Das Nachlassgericht stellte nach einem Sachverständigengutachten fest, dass die Textpassagen vom Erblasser stammen. Es hielt das Testament somit für wirksam und wies den Antrag der Ehefrau auf Erteilung eines Alleinerbscheins ab. 

Dagegen wehrte sich die Ehefrau.

Die Richter am Oberlandesgericht Frankfurt sahen das Testament mit den Diagrammen als formunwirksam. Es gilt also gesetzliche Erbfolge, wonach der Ehefrau ein Alleinerbschein auszustellen ist.

Pfeildiagramme in einem Testament, durch welche die Erbfolge dokumentiert werden soll, stellen keine eigenhändig geschriebene Erklärung dar im Sinne des § 2247 BGB.

Sinn und Zweck dieser gesetzlichen Formvorschrift ist es, den wirklichen Willen des Erblassers zum Ausdruck zu bringen und die Echtheit seiner Erklärungen sicherzustellen. Deshalb ist das Schriftformerfordernis eng auszulegen. Das gesamte Testament ist demnach handschriftlich und in Textform niederzulegen. Werden Teile des Testaments mit Bildern und Zeichnungen kombiniert, genügt das der Formvorschrift nicht, was zur Unwirksamkeit des Testaments führt.

Die Echtheit der "Erklärungen" eines Pfeildiagramms kann nicht belegt werden. So können Pfeile nachträglich (durch Dritte) hinzugefügt oder verändert werden, ohne dass dies durch ein grafologisches Gutachten je aufgeklärt werden könnte.