Da meint man, dass man mit einem Testament alles richtig regelt und am Ende kommt doch etwas anderes heraus. Der nachstehende Sachverhalt zeigt, welcher Nachteil aus einem Berliner Testament erwachsen kann, wenn nicht alles bedacht wird.
Ein Ehepaar aus Essen hatte sich in im Jahre 1979 und 1995
errichteten Berliner Testamenten wechselseitig zu Erben eingesetzt und
bestimmt, dass ihre vier Töchter Schlusserben nach dem Tode des
Letztversterbenden werden sollten. Zugleich hatten sie angeordnet, dass
ein Kind, das nach dem Tode des Erstversterbenden den Pflichtteil
fordert, auch nach dem Tod des später Versterbenden auf den Pflichtteil
beschränkt sein sollte (Pflichtteilsstrafklausel).
Die jüngste Tochter
des Ehepaars ist seit ihrer Geburt schwer behindert, lebt in einer
Behinderteneinrichtung und steht im Leistungsbezug des klagenden
Landschaftsverbandes. Nach dem Tode des Vaters im Jahre 1997 machte der
Sozialleistungsträger aus übergegangenem Recht der jüngsten Tochter gegen die
überlebende Mutter erfolgreich einen Pflichtteilsanspruch geltend.
Nach diesen "unschönen" Erfahrungen errichtete die überlebende Mutter 1998 ein notarielles Testament, in welchem sie alle vier Töchter zu gleichen Teilen als Erben einsetzte und bezüglich
ihrer jüngsten Tochter eine Vorerbschaft anordnete, wobei ihre Schwestern
Nacherben sein sollten (sog. Behindertentestament). Hiermit sollte ein
weiterer Zugriff des Sozialleistungsträgers auf das Erbe der behinderten Tochter beim
Versterben der Mutter verhindert werden.
Doch wenig überraschend verlangte dieser nach dem Tode der Mutter im
Jahre 2010, wiederum aus übergegangenem Recht der
jüngsten Tochter, von den drei weiteren Schwestern erneut den
Pflichtteil. Diesen verweigerten die Schwestern unter Hinweis darauf,
dass ihre jüngste Schwester aufgrund des Testaments aus dem Jahre 1998
Vorerbin und deswegen nicht pflichtteilsberechtigt sei.
Vor Gericht scheiteren die Schwestern, der Sozialleistungsträger gewann.
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Hamm (I-10 U 71/12) greift die
Pflichtteilsstrafklausel aus den Berliner Testamenten der Eltern (1979 und 1995) auch
dann ein, wenn ein Träger der Sozialhilfe aus übergegangenem Recht und
nicht das behinderte Kind selbst den Pflichtteil nach dem Tode des
Erstverstrebenden verlangt hat. Diesen Testamenten sei nicht zu
entnehmen, dass die für den Schlusserbfall angeordnete Miterbenstellung
der behinderten Tochter dem Zugriff des Sozialhilfeträgers entzogen sein
sollte. Zu Lebzeiten beider Eltern sei kein sog. Behindertentestament
errichtet worden.
Die behinderte Tochter sei deswegen infolge des
Pflichtteilsverlangens des Sozialleistungsträgers beim Tode des Vaters wirksam enterbt
worden.
Hieran hätten die Regelungen des Folgetestaments aus dem Jahre
1998 nichts ändern können. Die Mutter sei nach dem Tod des Vaters an die
entgegenstehenden Verfügungen aus den gemeinschaftlichen Testamenten
gebunden gewesen und habe nicht mehr anderweitig verfügen können.
Ärgerlich für die Hinterbliebenen, womöglich aber auch für anwaltliche Berater bzw. den Notar.
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