Eine ledige und kinderlose Erblasserin wurde seit Jahren bis zu ihrem
Tod von dem ambulanten Pflegedienst der Geschäftsführerin betreut. Die
Geschäftsführerin selbst hatte die Erblasserin anlässlich eines
Krankenhausaufenthaltes kennengelernt, diese ab dann regelmäßig besucht,
gemeinsame Ausflüge unternommen und zweimal in der Woche mit ihr
zusammen Mittag gegessen. Knapp ein Jahr vor ihrem Tod schloss die
Erblasserin mit der Geschäftsführerin einen notariellen Erbvertrag, mit
dem diese als ihre alleinige Erbin eingesetzt wurde. Nach dem Tod der
Erblasserin beantragte die Geschäftsführerin auf der Grundlage des
Erbvertrages einen Erbschein, der ihr vom Nachlassgericht erteilt wurde.
Der Wert des Nachlasses betrug rund 100.000 Euro.
Nachdem das Regierungspräsidium als Aufsichtsbehörde ein
Bußgeldverfahren gegen die Geschäftsführerin wegen Verstoßes gegen das
Verbot in § 7 Hessisches Gesetz über Betreuungs und Pflegeleistungen
(HGBP) eingeleitet hatte, zog das Nachlassgericht den Erbschein als
unrichtig wieder ein. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der
Geschäftsführerin.
Das OLG Frankfurt hat die Beschwerde zurückgewiesen.
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist die Geschäftsführerin
nicht Alleinerbin geworden, da der Erbvertrag wegen Verstoßes gegen § 7
HGBP unwirksam ist. Die Vorschrift untersage es der Leitung und den
Mitarbeitern einer Betreuungs- oder Pflegeeinrichtung, sich von
Betreuungs und Pflegebedürftigen neben der vereinbarten Vergütung Geld
oder geldwerte Leistungen für die Pflegeleistungen versprechen oder
gewähren zu lassen. Anders als die Vorgängernorm (§ 14 Heimgesetz)
erstrecke sich § 7 HGPB nunmehr ausdrücklich auch auf ambulante
Betreuungs und Pflegeeinrichtungen und deren Leitung. Die Regelung solle
verhindern, dass die Hilf- oder Arglosigkeit alter und
pflegebedürftiger Menschen in finanzieller Hinsicht ausgenutzt werde und
diene auch dazu, ihre Testierfreiheit zu sichern. Bei einer
Erbeinsetzung wie hier liege ein Verstoß allerdings nur dann vor, wenn
die Erbeinsetzung im Zusammenhang mit der Erfüllung der Pflichten aus
dem Pflegevertrag erfolge. Hierfür bestehe eine gesetzliche Vermutung,
die nur durch den Beweis des Gegenteils widerlegt werden könne. Diesen
Beweis habe die Geschäftsführerin jedoch nicht erbringen können. Zwar
sei nach der Beweisaufnahme davon auszugehen, dass zwischen ihr und der
Erblasserin eine freundschaftliche und eine über eine Geschäftsbeziehung
hinausgehende Bindung vorgelegen habe. Es könne aber nicht mit der
erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, dass kein Zusammenhang
zwischen dem Erbvertrag und den Pflegeleistungen bestanden habe. Eine
eindeutige Trennung zwischen dienstlicher und freundschaftlicher
Beziehung sei nicht erkennbar und dürfte in der vorliegenden
Konstellation praktisch auch nicht möglich sein. Gerade in Fällen
unklarer Beweislage, in denen die Motive und Gründe sowie die
Zusammenhänge der Zuwendung offen blieben, müsse das Verbot im Interesse
des Schutzes der Testierfreiheit eingreifen.
Die Entscheidung ist rechtskräftig.
erbrecht-Chemnitz
Wie gestaltet sich der Übergang in die Rente? Was muss in einer Vorsorgevollmacht stehen? Ist die testamentarische Regelung sinnvoll? Wie setze ich meine Recht auf Reisen durch? Viele neuen Fragen stellen sich - hier erscheinen Anekdoten, Hinweise und Tipps.
Montag, 1. Juni 2015
Montag, 13. April 2015
Erbverzicht gilt auch für Kinder
Wer einen Erbverzicht erklärt, erklärt dies meist auch für seine Nachkommen, wenn er dies nicht separat ausschließt.
Die in Dortmund wohnenden Eltern des Erstbeteiligten aus Hamm errichteten 1980 ein gemeinschaftliches Testament mit Pflichtteilsstrafklausel, in dem sie den Überlebenden zum befreiten Vorerben und zwei ihrer Kinder, den 1963 geborenen Erstbeteiligten und seine 1957 geborene Schwester, zu gleichen Teilen als Nacherben einsetzten. Nach dem Tode des 78jährigen Vaters im Jahre 1993 schlossen die überlebende Mutter mit dem Erstbeteiligten und der bedachten Schwester im Jahre 2001 einen notariellen Vertrag, in dem die Schwester ihr Nacherbenrecht auf den Erstbeteiligten übertrug und erklärte, auch auf ihr gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht zu verzichten. Hintergrund waren Zuwendungen von 180.000 DM, die die Schwester bereits von der Mutter erhalten hatte bzw. noch erhalten sollte. Die Schwester verstarb im Jahre 2002, sie hinterließ zwei Kinder, u.a. die Drittbeteiligte aus Duisburg als ihre Tochter. In einem handschriftlichen Testament aus dem Jahre 2013 bestimmte die Mutter die Drittbeteiligte und einen Zweitbeteiligten aus Düsseldorf zu Erben. Ende des Jahre 2013 verstarb die Mutter im Alter von 82 Jahren. In der Folgezeit haben die Beteiligten um die ihr zustehenden Erbrechte nach dem Tode der Mutter als Erblasserin gestritten, wobei der Erstbeteiligte der Ansicht war, Alleinerbe zu sein, während der Zweit- und die Drittbeteiligte meinten, dass sie die Erblasserin als Miterben beerbt hätten.
Das AG Dortmund hat entschieden, dass der Erstbeteiligte der Alleinerbe seiner Mutter geworden ist.
Das OLG Hamm hat die Entscheidung des Amtsgerichts bestätigt.
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts im vorliegenden Fall sind der Erstbeteiligte und seine im Jahre 2002 verstorbene Schwester durch das im Jahre 1980 errichtete gemeinschaftliche Testament der Eltern zu Erben nach dem Tode des letzten Elternteils eingesetzt worden. Durch den notariellen Vertrag aus dem Jahre 2001 habe die Schwester auf ihr gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht und auch auf das ihr durch das gemeinschaftliche Testament zugewandte Erbrecht verzichtet. Sie sei deswegen als Erbin weggefallen.
Ihre Kinder seien nicht als Ersatzerben berufen. Der Zuwendungsverzicht der Schwester erstrecke sich auch auf ihre Abkömmlinge. Die nach dem Gesetz mögliche andere Bestimmung sei im Verzichtsvertrag nicht getroffen worden. Damit sei der Erbteil der Schwester beim Tode der Erblasserin dem Erstbeteiligten angewachsen. Insoweit enthalte auch das gemeinschaftliche Testament keine anderweitige Bestimmung.
Die Erblasserin sei nach dem Tode ihres Ehemanns gehindert gewesen, ihre Enkelin und den Zweitbeteiligten als Erben einzusetzen. Dem stehe das gemeinschaftliche Testament aus dem Jahre 1980 entgegen, das auch hinsichtlich der Alleinerbenstellung des Erstbeteiligten bindend sei. Seine Bindungswirkung erfasse den dem Erstbeteiligten nach dem Wegfall seiner Schwester zugewachsenen Erbteil. Das ergebe die Auslegung des Testaments. Der vorliegende Fall sei mit dem Fall vergleichbar, bei dem ein Pflichtteilsberechtigter aufgrund einer Pflichtteilsstrafklausel als Schlusserbe ausscheide, weil er zu Lebzeiten des überlebenden Ehegatten seinen Pflichtteil verlange. Auch in diesem Fall wachse sein Erbteil den übrigen testamentarisch bedachten Erben zu. Zwar sei die Schwester nicht aufgrund eines Pflichtteilsverlangens weggefallen, sie habe aber – vergleichbar mit einem solchen Verlangen – ihren Erbverzicht erklärt, weil sie zu Lebzeiten Zuwendungen erhalten habe.
Grundsätzlich gelte folgendes:
Anmerkung:
Dass der Verzicht auf einen testamentarisch zugewandten Erbteil grundsätzlich auch die Kinder des Verzichtenden vom Erbteil ausschließt, gilt aufgrund einer Änderung des § 2352 BGB für Erbfälle ab dem 01.01.2010. Diese gesetzliche Regelung stimmt nunmehr mit der Regelung des BGB für die Wirkung des Verzichts auf einen gesetzlichen Erbteil überein.
Die in Dortmund wohnenden Eltern des Erstbeteiligten aus Hamm errichteten 1980 ein gemeinschaftliches Testament mit Pflichtteilsstrafklausel, in dem sie den Überlebenden zum befreiten Vorerben und zwei ihrer Kinder, den 1963 geborenen Erstbeteiligten und seine 1957 geborene Schwester, zu gleichen Teilen als Nacherben einsetzten. Nach dem Tode des 78jährigen Vaters im Jahre 1993 schlossen die überlebende Mutter mit dem Erstbeteiligten und der bedachten Schwester im Jahre 2001 einen notariellen Vertrag, in dem die Schwester ihr Nacherbenrecht auf den Erstbeteiligten übertrug und erklärte, auch auf ihr gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht zu verzichten. Hintergrund waren Zuwendungen von 180.000 DM, die die Schwester bereits von der Mutter erhalten hatte bzw. noch erhalten sollte. Die Schwester verstarb im Jahre 2002, sie hinterließ zwei Kinder, u.a. die Drittbeteiligte aus Duisburg als ihre Tochter. In einem handschriftlichen Testament aus dem Jahre 2013 bestimmte die Mutter die Drittbeteiligte und einen Zweitbeteiligten aus Düsseldorf zu Erben. Ende des Jahre 2013 verstarb die Mutter im Alter von 82 Jahren. In der Folgezeit haben die Beteiligten um die ihr zustehenden Erbrechte nach dem Tode der Mutter als Erblasserin gestritten, wobei der Erstbeteiligte der Ansicht war, Alleinerbe zu sein, während der Zweit- und die Drittbeteiligte meinten, dass sie die Erblasserin als Miterben beerbt hätten.
Das AG Dortmund hat entschieden, dass der Erstbeteiligte der Alleinerbe seiner Mutter geworden ist.
Das OLG Hamm hat die Entscheidung des Amtsgerichts bestätigt.
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts im vorliegenden Fall sind der Erstbeteiligte und seine im Jahre 2002 verstorbene Schwester durch das im Jahre 1980 errichtete gemeinschaftliche Testament der Eltern zu Erben nach dem Tode des letzten Elternteils eingesetzt worden. Durch den notariellen Vertrag aus dem Jahre 2001 habe die Schwester auf ihr gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht und auch auf das ihr durch das gemeinschaftliche Testament zugewandte Erbrecht verzichtet. Sie sei deswegen als Erbin weggefallen.
Ihre Kinder seien nicht als Ersatzerben berufen. Der Zuwendungsverzicht der Schwester erstrecke sich auch auf ihre Abkömmlinge. Die nach dem Gesetz mögliche andere Bestimmung sei im Verzichtsvertrag nicht getroffen worden. Damit sei der Erbteil der Schwester beim Tode der Erblasserin dem Erstbeteiligten angewachsen. Insoweit enthalte auch das gemeinschaftliche Testament keine anderweitige Bestimmung.
Die Erblasserin sei nach dem Tode ihres Ehemanns gehindert gewesen, ihre Enkelin und den Zweitbeteiligten als Erben einzusetzen. Dem stehe das gemeinschaftliche Testament aus dem Jahre 1980 entgegen, das auch hinsichtlich der Alleinerbenstellung des Erstbeteiligten bindend sei. Seine Bindungswirkung erfasse den dem Erstbeteiligten nach dem Wegfall seiner Schwester zugewachsenen Erbteil. Das ergebe die Auslegung des Testaments. Der vorliegende Fall sei mit dem Fall vergleichbar, bei dem ein Pflichtteilsberechtigter aufgrund einer Pflichtteilsstrafklausel als Schlusserbe ausscheide, weil er zu Lebzeiten des überlebenden Ehegatten seinen Pflichtteil verlange. Auch in diesem Fall wachse sein Erbteil den übrigen testamentarisch bedachten Erben zu. Zwar sei die Schwester nicht aufgrund eines Pflichtteilsverlangens weggefallen, sie habe aber – vergleichbar mit einem solchen Verlangen – ihren Erbverzicht erklärt, weil sie zu Lebzeiten Zuwendungen erhalten habe.
Grundsätzlich gelte folgendes:
- Wer auf einen ihm testamentarisch zugewandten Erbteil verzichtet, schließt auch seine Kinder vom Erbteil aus, wenn die Verzichtsvereinbarung nichts anderes bestimmt.
- Verzichtet ein Miterbe auf seine verbindlich gewordene Erbeinsetzung in einem gemeinschaftlichen Testament mit Pflichtteilsstrafklausel, kann der überlebende Ehegatte über den Erbteil des Verzichtenden nicht anderweitig, z.B. zugunsten eines Kindes des Verzichtenden verfügen.
Anmerkung:
Dass der Verzicht auf einen testamentarisch zugewandten Erbteil grundsätzlich auch die Kinder des Verzichtenden vom Erbteil ausschließt, gilt aufgrund einer Änderung des § 2352 BGB für Erbfälle ab dem 01.01.2010. Diese gesetzliche Regelung stimmt nunmehr mit der Regelung des BGB für die Wirkung des Verzichts auf einen gesetzlichen Erbteil überein.
Donnerstag, 15. Januar 2015
Zank unter Ehefrauen
Zank unter Frauen und Männern soll schon vorkommen. Besonders heftig ist der Streit bestimmt, wenn sich Ex-Frau und 2. Ehefrau eines verstorbenen Mannes um dessen Erbe streiten.
Der 1945 geborene Erblasser heiratete 1982 seine erste Ehefrau und errichtete mit ihr im Jahre 2003 ein privatschriftliches gemeinschaftliches Testament, in dem sich die Eheleute wechselseitig zum alleinigen Erben des Erstversterbenden einsetzten. In einem Nachtrag vereinbarten die Eheleute, dass das Testament auch im Falle der Ehescheidung gelten sollte. Die Ehe wurde 2011 geschieden. Kurz darauf heiratete der Erblasser seine zweite Ehefrau. Mit dieser errichtete er Anfang 2012 ein notarielles Testament, in dem er u.a. seine früheren letztwilligen Verfügungen widerrief. Zu Lebzeiten des Erblassers ist das notarielle Testament aus dem Jahre 2012 der ersten Ehefrau nicht übermittelt worden. Nach dem Tode des Erblassers im Februar 2013 hat die zweite Ehefrau das Testament aus dem Jahre 2003 angefochten, weil sie als Pflichtteilsberechtigte übergangen worden sei. Die erste Ehefrau hat das Testament aus dem Jahre 2003 für wirksam erachtet und die Erteilung eines sie als Alleinerbin ausweisenden Erbscheins beantragt.
Das AG Arnsberg hatte der ersten Ehefrau den gewünschten Erbschein erteilt.
Das OLG Hamm hat den erstinstanzlichen Beschluss abgeändert und den Erbscheinsantrag abgelehnt.
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist die erste Ehefrau nicht Erbin geworden, weil die zweite Ehefrau das Testament aus dem Jahre 2003 wirksam angefochten habe. Das Testament aus dem Jahre 2003 sei zwar aufgrund des Nachtrags der damaligen Eheleute nicht mit der Scheidung unwirksam geworden. Auch habe es der Erblasser mit dem 2012 errichteten, neuen Testament nicht wirksam widerrufen, weil der Widerruf gegenüber der ersten Ehefrau zu erklären gewesen wäre und der Erblasser zu seinen Lebzeiten versäumt habe, seiner ersten Ehefrau den Widerruf zu übermitteln.
Die zweite Ehefrau habe das erste Testament aber wirksam angefochten. Sie habe die Anfechtung innerhalb der mit dem Tode des Erblassers beginnenden Jahresfrist erklärt. Die Anfechtung sei sachlich begründet, weil die zweite Ehefrau zur Zeit des Erbfalls eine Pflichtteilsberechtigte sei, die das Testament aus dem Jahre 2003 nicht berücksichtige. Das berechtige zur Testamentsanfechtung, weil das Gesetz vermute, dass der Erblasser den Pflichtteilsberechtigten bei Kenntnis der späteren Sachlage nicht übergangen hätte. Eine Anfechtung sei nur dann ausgeschlossen, wenn anzunehmen sei, dass der Erblasser die in Frage stehende letztwillige Verfügung auch bei Kenntnis der späteren Sachlage getroffen haben würde. Hiervon sei im vorliegenden Fall nicht auszugehen. Nach dem seinerzeit vereinbarten Nachtrag habe das Testament des Jahres 2003 nur bei der Scheidung weitergelten sollen. Dafür, dass es nach dem Willen des Erblassers auch im Falle seiner Wiederverheiratung weitergelten sollte, gebe es keine konkreten Anhaltspunkte.
Der 1945 geborene Erblasser heiratete 1982 seine erste Ehefrau und errichtete mit ihr im Jahre 2003 ein privatschriftliches gemeinschaftliches Testament, in dem sich die Eheleute wechselseitig zum alleinigen Erben des Erstversterbenden einsetzten. In einem Nachtrag vereinbarten die Eheleute, dass das Testament auch im Falle der Ehescheidung gelten sollte. Die Ehe wurde 2011 geschieden. Kurz darauf heiratete der Erblasser seine zweite Ehefrau. Mit dieser errichtete er Anfang 2012 ein notarielles Testament, in dem er u.a. seine früheren letztwilligen Verfügungen widerrief. Zu Lebzeiten des Erblassers ist das notarielle Testament aus dem Jahre 2012 der ersten Ehefrau nicht übermittelt worden. Nach dem Tode des Erblassers im Februar 2013 hat die zweite Ehefrau das Testament aus dem Jahre 2003 angefochten, weil sie als Pflichtteilsberechtigte übergangen worden sei. Die erste Ehefrau hat das Testament aus dem Jahre 2003 für wirksam erachtet und die Erteilung eines sie als Alleinerbin ausweisenden Erbscheins beantragt.
Das AG Arnsberg hatte der ersten Ehefrau den gewünschten Erbschein erteilt.
Das OLG Hamm hat den erstinstanzlichen Beschluss abgeändert und den Erbscheinsantrag abgelehnt.
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist die erste Ehefrau nicht Erbin geworden, weil die zweite Ehefrau das Testament aus dem Jahre 2003 wirksam angefochten habe. Das Testament aus dem Jahre 2003 sei zwar aufgrund des Nachtrags der damaligen Eheleute nicht mit der Scheidung unwirksam geworden. Auch habe es der Erblasser mit dem 2012 errichteten, neuen Testament nicht wirksam widerrufen, weil der Widerruf gegenüber der ersten Ehefrau zu erklären gewesen wäre und der Erblasser zu seinen Lebzeiten versäumt habe, seiner ersten Ehefrau den Widerruf zu übermitteln.
Die zweite Ehefrau habe das erste Testament aber wirksam angefochten. Sie habe die Anfechtung innerhalb der mit dem Tode des Erblassers beginnenden Jahresfrist erklärt. Die Anfechtung sei sachlich begründet, weil die zweite Ehefrau zur Zeit des Erbfalls eine Pflichtteilsberechtigte sei, die das Testament aus dem Jahre 2003 nicht berücksichtige. Das berechtige zur Testamentsanfechtung, weil das Gesetz vermute, dass der Erblasser den Pflichtteilsberechtigten bei Kenntnis der späteren Sachlage nicht übergangen hätte. Eine Anfechtung sei nur dann ausgeschlossen, wenn anzunehmen sei, dass der Erblasser die in Frage stehende letztwillige Verfügung auch bei Kenntnis der späteren Sachlage getroffen haben würde. Hiervon sei im vorliegenden Fall nicht auszugehen. Nach dem seinerzeit vereinbarten Nachtrag habe das Testament des Jahres 2003 nur bei der Scheidung weitergelten sollen. Dafür, dass es nach dem Willen des Erblassers auch im Falle seiner Wiederverheiratung weitergelten sollte, gebe es keine konkreten Anhaltspunkte.
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Donnerstag, 4. Dezember 2014
Wenn Ärzte nicht richtig untersuchen
Eine 1954 geborene Frau ließ sich im März 2012 von einer Ärztin als
Vertreterin ihrer Hausärztin wegen Beschwerden im Rücken- und
Gesäßbereich behandeln. Die Ärztin diagnostizierte Ischiasbeschwerden,
verabreichte eine Spritze und verordnete ein Schmerzmittel. Drei Tage
später musste die Frau notfallmäßig operiert werden, nachdem bei ihr
eine Gewebeentzündung im Gesäßbereich (Entzündung des perirektalen und
perianalen Fettgewebes) mit Verdacht auf eine bakterielle
Infektionskrankheit der Unterhaut und Faszien (nekrotisierende
Fasziitis) diagnostiziert worden war. Dabei wurde ein Teil des
Schließmuskels entfernt. In den folgenden Wochen waren fünf
Nachoperationen erforderlich.
Die Frau hat gemeint, von der Ärztin unzureichend untersucht worden zu sein. Unter Hinweis auf fortbestehende Wundschmerzen und eine Stuhlinkontinenz sowie hierdurch bedingte psychische Belastungen hat sie Schadensersatz verlangt, unter anderem ein Schmerzensgeld von 25.000 Euro.
Das Schadensersatzbegehren war weitgehend erfolgreich. Nach der Anhörung eines medizinischen Sachverständigen hat das OLG Hamm das bereits vom LG Bochum zuerkannte Schmerzensgeld von 22.000 Euro bestätigt.
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist die Ärztin den Ursachen der ihr von der Frau geschilderten Beschwerden nicht ausreichend nachgegangen. Sie hafte deswegen für einen Befunderhebungsfehler. Durch Betasten habe die Ärztin auch die Analregion der Frau untersuchen müssen. Auf ihre Anfangsdiagnose habe sie sich nicht verlassen dürfen, sondern die Möglichkeit von Erkrankungen mit schwerwiegenden Folgen berücksichtigen müssen. Der angehörte medizinische Sachverständige habe bestätigt, dass eine Gewebeentzündung im Gesäßbereich feststellbar gewesen wäre, wenn die Ärztin eine weitere Untersuchung veranlasst hätte. Diese Entzündung stelle einen reaktionspflichtigen Befund dar. Sie nicht zu behandeln, wäre grob fehlerhaft gewesen, so dass der vorangegangene Befunderhebungsfehler eine Beweislastumkehr hinsichtlich der weiteren Entwicklung rechtfertige. Deswegen sei – auch wenn eine Operation als solche nicht zu vermeiden gewesen sei – zu Gunsten der Frau davon auszugehen, dass die erste Operation weniger schwerwiegend ausgefallen wäre, wenn sie drei Tage früher stattgefunden hätte. Möglicherweise wäre dann der Schließmuskel nicht beeinträchtigt und die Frau in vollem Umfang geheilt worden.
Diese Verletzungsfolgen rechtfertigten das zuerkannte Schmerzensgeld.
Die Frau hat gemeint, von der Ärztin unzureichend untersucht worden zu sein. Unter Hinweis auf fortbestehende Wundschmerzen und eine Stuhlinkontinenz sowie hierdurch bedingte psychische Belastungen hat sie Schadensersatz verlangt, unter anderem ein Schmerzensgeld von 25.000 Euro.
Das Schadensersatzbegehren war weitgehend erfolgreich. Nach der Anhörung eines medizinischen Sachverständigen hat das OLG Hamm das bereits vom LG Bochum zuerkannte Schmerzensgeld von 22.000 Euro bestätigt.
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist die Ärztin den Ursachen der ihr von der Frau geschilderten Beschwerden nicht ausreichend nachgegangen. Sie hafte deswegen für einen Befunderhebungsfehler. Durch Betasten habe die Ärztin auch die Analregion der Frau untersuchen müssen. Auf ihre Anfangsdiagnose habe sie sich nicht verlassen dürfen, sondern die Möglichkeit von Erkrankungen mit schwerwiegenden Folgen berücksichtigen müssen. Der angehörte medizinische Sachverständige habe bestätigt, dass eine Gewebeentzündung im Gesäßbereich feststellbar gewesen wäre, wenn die Ärztin eine weitere Untersuchung veranlasst hätte. Diese Entzündung stelle einen reaktionspflichtigen Befund dar. Sie nicht zu behandeln, wäre grob fehlerhaft gewesen, so dass der vorangegangene Befunderhebungsfehler eine Beweislastumkehr hinsichtlich der weiteren Entwicklung rechtfertige. Deswegen sei – auch wenn eine Operation als solche nicht zu vermeiden gewesen sei – zu Gunsten der Frau davon auszugehen, dass die erste Operation weniger schwerwiegend ausgefallen wäre, wenn sie drei Tage früher stattgefunden hätte. Möglicherweise wäre dann der Schließmuskel nicht beeinträchtigt und die Frau in vollem Umfang geheilt worden.
Diese Verletzungsfolgen rechtfertigten das zuerkannte Schmerzensgeld.
Montag, 17. November 2014
verschollen ist nicht gleich tot, oder?
Ein im Jahre 1932 geborener Mann lebte bis Juli 2004 in einer
Wohngruppe für Demenzkranke, weil er altersverwirrt
und desorientiert war. In diesem Monat kehrte er nicht in die Wohngruppe
zurück. Eingeleitete Fahndungsmaßnahmen und Presseveröffentlichungen
führten nicht zu seinem Wiederauffinden. Er ist seitdem verschollen.
Im Jahre 2012 beantragte der Rentenversicherer des Verschollenen, ein Aufgebotsverfahren mit dem Ziel durchzuführen, den Betroffenen für tot zu erklären. Das AG Castrop-Rauxel erklärte den Verschollenen mit einem Beschluss für tot. Gegen diese Entscheidung wandte sich der Sohn des Verschollenen mit seiner Beschwerde, den Tod seines Vaters bezweifelnd.
Das OLG Hamm hat die amtsgerichtliche Entscheidung bestätigt.
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts hat ein Aufgebotsverfahren nach dem Verschollenheitsgesetz mit dem Ziel der Todeserklärung eingeleitet werden dürfen. Der Betroffene sei verschollen. Sein Aufenthalt sei seit längerer Zeit unbekannt, ohne dass Nachrichten darüber vorlägen, ob er in dieser Zeit noch gelebt habe und ernstliche Zweifel an seinem Fortleben begründet seien. Bei seinem Verschwinden sei der Betroffene 72 Jahre alt gewesen. Er habe an einer fortgeschrittenen Alters-Alzheimer-Erkrankung gelitten. Auch wenn er noch körperlich rüstig gewesen sei, wie sein Sohn vortrage, sprächen ernsthafte Zweifel gegen das Fortleben des Verschollenen.
Die Vermutung seines Sohnes, dass er als unbekannte Person in einer Pflegeeinrichtungen untergekommen sei, sei auch nach Einschätzung des zuständigen Polizeikommissariats wenig wahrscheinlich. Es sei schwer vorstellbar, dass eine unbekannte Person in Deutschland oder dem benachbarten Ausland eine kostenträchtige Intensivpflege erhalte, ohne dass versucht werde, seine Identität aufzuklären.
Die Voraussetzungen für eine Todeserklärung nach dem Verschollenheitsgesetz lägen vor. Der Verschollene sei letztmalig 2004 lebend gesehen worden. Wenn er dann zwischenzeitlich das 80. Lebensjahr erreicht habe bzw. hätte erreichen müssen und fünf Jahre seit seinem Verschwinden verstrichen seien, erfülle dies die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Todeserklärung.
Im Jahre 2012 beantragte der Rentenversicherer des Verschollenen, ein Aufgebotsverfahren mit dem Ziel durchzuführen, den Betroffenen für tot zu erklären. Das AG Castrop-Rauxel erklärte den Verschollenen mit einem Beschluss für tot. Gegen diese Entscheidung wandte sich der Sohn des Verschollenen mit seiner Beschwerde, den Tod seines Vaters bezweifelnd.
Das OLG Hamm hat die amtsgerichtliche Entscheidung bestätigt.
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts hat ein Aufgebotsverfahren nach dem Verschollenheitsgesetz mit dem Ziel der Todeserklärung eingeleitet werden dürfen. Der Betroffene sei verschollen. Sein Aufenthalt sei seit längerer Zeit unbekannt, ohne dass Nachrichten darüber vorlägen, ob er in dieser Zeit noch gelebt habe und ernstliche Zweifel an seinem Fortleben begründet seien. Bei seinem Verschwinden sei der Betroffene 72 Jahre alt gewesen. Er habe an einer fortgeschrittenen Alters-Alzheimer-Erkrankung gelitten. Auch wenn er noch körperlich rüstig gewesen sei, wie sein Sohn vortrage, sprächen ernsthafte Zweifel gegen das Fortleben des Verschollenen.
Die Vermutung seines Sohnes, dass er als unbekannte Person in einer Pflegeeinrichtungen untergekommen sei, sei auch nach Einschätzung des zuständigen Polizeikommissariats wenig wahrscheinlich. Es sei schwer vorstellbar, dass eine unbekannte Person in Deutschland oder dem benachbarten Ausland eine kostenträchtige Intensivpflege erhalte, ohne dass versucht werde, seine Identität aufzuklären.
Die Voraussetzungen für eine Todeserklärung nach dem Verschollenheitsgesetz lägen vor. Der Verschollene sei letztmalig 2004 lebend gesehen worden. Wenn er dann zwischenzeitlich das 80. Lebensjahr erreicht habe bzw. hätte erreichen müssen und fünf Jahre seit seinem Verschwinden verstrichen seien, erfülle dies die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Todeserklärung.
Dienstag, 28. Oktober 2014
fehlende Unterschrift auf gemeinschatlichem Testament
Eheleute können gemeinschaftliche Testamente anfertigen. Voraussetzung hierfür ist, dass ein Ehepartner das Testament handschriftlich verfasst und beide Ehepartner unterschreiben. Doch was passiert, wenn nur der Ersteller unterzeichnet und der Ehepartner nicht? Besteht dann ein Einzeltestament?
Ein im Mai 2013 im Alter von 74 Jahren verstorbene Erblasser beabsichtigte im Februar 2007 mit seiner Ehefrau ein gemeinschaftliches Ehegattentestament zu errichten. Die Ehegatten hatten vier Kinder. Im Testamentsentwurf war vorgesehen, dass der überlebende Ehegatte Vorerbe und eins der Kinder Nacherbe werden sollten.
Der Erblasser erstellte einen handschriftlichen Entwurf, den er selbst unterzeichnete. Die Unterzeichnung seiner Ehefrau unterblieb.
Nach dem Tode des Erblassers beantragte die überlebende Ehefrau einen Erbschein auf der Grundlage gesetzlicher Erbfolge. Deren Erteilung lehnte das AG Lünen mit der Begründung ab, die Erbfolge sei dem im Februar 2007 unterzeichneten Entwurf eines gemeinschaftlichen Ehegattentestaments zu entnehmen, der als Einzeltestament des Erblasser auszulegen und wirksam errichtet worden sei. Gegen diesen amtsgerichtlichen Beschluss hatte die überlebende Ehefrau Beschwerde erhoben.
Das OLG Hamm (15 W 46/14) hat den amtsgerichtlichen Beschluss aufgehoben und den Fall zwecks Erteilung eines Erbscheins auf der Grundlage der gesetzlichen Erbfolge an das Amtsgericht zurückverwiesen.
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts stellt das vom Erblasser im Februar 2007 verfasste Schriftstück kein formwirksames Einzeltestament dar, sondern lediglich den Entwurf eines gemeinschaftlichen Testaments. Als gemeinschaftliches Testament sei es nicht wirksam geworden, weil es die Ehefrau nicht unterzeichnet habe.
Als Einzeltestament könne es nicht aufrechterhalten werden. Zwar sei es vom Erblasser handschriftlich verfasst und unterschrieben worden, so dass es den gesetzlichen Formvorschriften eines Einzeltestaments genüge. Es fehle aber der Wille des Erblassers, ein einseitiges Testament zu errichten.
Im vorliegenden Fall könne nicht angenommen werden, dass der Erblasser die nach seiner Auffassung gemeinsam mit seiner Ehefrau zu treffenden letztwilligen Verfügungen auch ohne die mit einem gemeinschaftlichen Testament verbundene Verpflichtung beider Ehegatten habe anordnen wollen. Nach dem Entwurf des gemeinschaftlichen Testaments sei es Ziel des Erblassers gewesen, dass im hälftigen Eigentum beider Ehegatten stehende Familienheim der Familie zu erhalten. Deswegen sei eins der Kinder als Schlusserbe bestimmt worden. Diese Zielsetzung habe aber nur erreicht werden können, wenn auch die Ehefrau durch Mitzeichnung des Testamentsentwurfs eine entsprechende Verpflichtung eingegangen wäre.
Fazit: Der Wille sollte immer eindeitig und klar erkennbar sein.
Ein im Mai 2013 im Alter von 74 Jahren verstorbene Erblasser beabsichtigte im Februar 2007 mit seiner Ehefrau ein gemeinschaftliches Ehegattentestament zu errichten. Die Ehegatten hatten vier Kinder. Im Testamentsentwurf war vorgesehen, dass der überlebende Ehegatte Vorerbe und eins der Kinder Nacherbe werden sollten.
Der Erblasser erstellte einen handschriftlichen Entwurf, den er selbst unterzeichnete. Die Unterzeichnung seiner Ehefrau unterblieb.
Nach dem Tode des Erblassers beantragte die überlebende Ehefrau einen Erbschein auf der Grundlage gesetzlicher Erbfolge. Deren Erteilung lehnte das AG Lünen mit der Begründung ab, die Erbfolge sei dem im Februar 2007 unterzeichneten Entwurf eines gemeinschaftlichen Ehegattentestaments zu entnehmen, der als Einzeltestament des Erblasser auszulegen und wirksam errichtet worden sei. Gegen diesen amtsgerichtlichen Beschluss hatte die überlebende Ehefrau Beschwerde erhoben.
Das OLG Hamm (15 W 46/14) hat den amtsgerichtlichen Beschluss aufgehoben und den Fall zwecks Erteilung eines Erbscheins auf der Grundlage der gesetzlichen Erbfolge an das Amtsgericht zurückverwiesen.
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts stellt das vom Erblasser im Februar 2007 verfasste Schriftstück kein formwirksames Einzeltestament dar, sondern lediglich den Entwurf eines gemeinschaftlichen Testaments. Als gemeinschaftliches Testament sei es nicht wirksam geworden, weil es die Ehefrau nicht unterzeichnet habe.
Als Einzeltestament könne es nicht aufrechterhalten werden. Zwar sei es vom Erblasser handschriftlich verfasst und unterschrieben worden, so dass es den gesetzlichen Formvorschriften eines Einzeltestaments genüge. Es fehle aber der Wille des Erblassers, ein einseitiges Testament zu errichten.
Im vorliegenden Fall könne nicht angenommen werden, dass der Erblasser die nach seiner Auffassung gemeinsam mit seiner Ehefrau zu treffenden letztwilligen Verfügungen auch ohne die mit einem gemeinschaftlichen Testament verbundene Verpflichtung beider Ehegatten habe anordnen wollen. Nach dem Entwurf des gemeinschaftlichen Testaments sei es Ziel des Erblassers gewesen, dass im hälftigen Eigentum beider Ehegatten stehende Familienheim der Familie zu erhalten. Deswegen sei eins der Kinder als Schlusserbe bestimmt worden. Diese Zielsetzung habe aber nur erreicht werden können, wenn auch die Ehefrau durch Mitzeichnung des Testamentsentwurfs eine entsprechende Verpflichtung eingegangen wäre.
Fazit: Der Wille sollte immer eindeitig und klar erkennbar sein.
Freitag, 17. Oktober 2014
Wie ist ein Sterbewunsch ohne Patientenverfügung nachzuweisen?
Die Patientenverfügung soll den Willen dokumentieren, den die verfügende Person bewusst für sich in Anspruch nehmen will. Damit wird auch Familienangehörigen und (ärztlichen) Betreuern klar der Wille aufgezeigt. Doch viele - auch junge- Menschen haben eine solche Patientenverfügung nicht. Welche Schwierigkeiten dann auftreten, gerade hinsichtlich des Nachweises eines Sterbewunsches, zeigt nachstehende Entscheidung.
Eine 1963 geborene Frau erlitt im Jahr 2009 eine Gehirnblutung mit der Folge eines apallischen Syndroms im Sinne eines Wachkomas. Sie wird über eine Magensonde ernährt; eine Kontaktaufnahme mit ihr ist nicht möglich. Der Ehemann und die Tochter der Frau, die zu ihren Betreuern bestellt sind, haben beim Betreuungsgericht beantragt, den Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen zu genehmigen. Hilfsweise haben sie die Feststellung beantragt, dass die Einstellung der künstlichen Ernährung nicht genehmigungsbedürftig sei. Sie stützen ihren Antrag darauf, dass sich die Betroffene vor ihrer Erkrankung gegenüber Familienangehörigen und Freunden gegen eine Inanspruchnahme von lebenserhaltenden Maßnahmen für den Fall einer schweren Krankheit ausgesprochen habe.
Das Amtsgericht Stollberg hatte den Antrag und den Hilfsantrag abgewiesen, das Landgericht Chemnitz die Beschwerde der Familienangehörigen/Betreuer zurückgewiesen.
Auf eine Rechtsbeschwerde hin hat der Bundesgerichtshof (XII ZB 202/13) den Familienangehörigen Recht gegeben.
Nach § 1904 II BGB bedarf die Nichteinwilligung oder der Widerruf der Einwilligung des Betreuers in eine Heilbehandlung oder einen ärztlichen Eingriff der Genehmigung des Betreuungsgerichts, wenn die Maßnahme medizinisch angezeigt ist und die begründete Gefahr besteht, dass der Betroffene auf Grund des Unterbleibens bzw. des Abbruchs der lebenserhaltenden Maßnahme stirbt. Eine solche betreuungsgerichtliche Genehmigung ist jedoch dann nicht erforderlich, wenn der Betroffene einen entsprechenden eigenen Willen bereits in einer bindenden Patientenverfügung nach § 1901a I BGB niedergelegt hat und diese auf die konkret eingetretene Lebens- und Behandlungssituation zutrifft.
Liegt dagegen keine wirksame Patientenverfügung vor, habe der Betreuer die Behandlungswünsche oder den mutmaßlichen Willen des Betreuten festzustellen. Die hierauf beruhende Entscheidung des Betreuers bedürfe dann nicht der betreuungsgerichtlichen Genehmigung, wenn zwischen ihm und dem behandelnden Arzt Einvernehmen darüber besteht, dass die Nichterteilung oder der Widerruf der Einwilligung dem festgestellten Willen des Betroffenen entspricht (§ 1904 IV BGB).
In den verbleibenden Fällen, in denen eine betreuungsgerichtliche Genehmigung erforderlich ist, sei diese gemäß § 1904 III BGB vom Betreuungsgericht zu erteilen, wenn die Nichteinwilligung oder der Widerruf der Einwilligung dem Willen des Betroffenen entspricht. Das Betreuungsgericht habe bei dieser Prüfung zwischen den Behandlungswünschen einerseits und dem mutmaßlichen Willen des Betroffenen andererseits zu unterscheiden. Behandlungswünsche könnten etwa alle Äußerungen eines Betroffenen sein, die Festlegungen für eine konkrete Lebens- und Behandlungssituation enthalten, aber den Anforderungen an eine Patientenverfügung i.S.d. § 1901a I BGB nicht genügten. Auf den mutmaßlichen Willen des Betroffenen sei nur abzustellen, wenn sich ein erklärter Wille des Betroffenen nicht feststellen lässt.
Für die Feststellung des behandlungsbezogenen Patientenwillens gelten strenge Beweismaßstäbe, die der hohen Bedeutung der betroffenen Rechtsgüter – dem Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen einerseits und dem Schutz des Lebens andererseits – Rechnung zu tragen haben. Die bei der Ermittlung und der Annahme eines Behandlungswunsches oder des mutmaßlichen Willens zu stellenden strengen Anforderungen gelten unabhängig davon, ob der Tod des Betroffenen unmittelbar bevorstehe oder nicht.
Auf der Grundlage dieser gesetzlichen Regelungen hat der Bundesgerichtshof die angefochtene Entscheidung aufgehoben. Das Landgericht Chemnitz sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass hier wegen des nicht unmittelbar bevorstehenden Todes der Betroffenen noch strengere Beweisanforderungen für die Feststellung des mutmaßlichen Patientenwillens gälten, als in anderen Fällen. Bei seiner erneuten Prüfung werde das LG Chemnitz etwaige geäußerte Behandlungswünsche der Betroffenen unter Anlegung des zutreffenden Prüfungsmaßstabs neu zu ermitteln haben.
Eine 1963 geborene Frau erlitt im Jahr 2009 eine Gehirnblutung mit der Folge eines apallischen Syndroms im Sinne eines Wachkomas. Sie wird über eine Magensonde ernährt; eine Kontaktaufnahme mit ihr ist nicht möglich. Der Ehemann und die Tochter der Frau, die zu ihren Betreuern bestellt sind, haben beim Betreuungsgericht beantragt, den Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen zu genehmigen. Hilfsweise haben sie die Feststellung beantragt, dass die Einstellung der künstlichen Ernährung nicht genehmigungsbedürftig sei. Sie stützen ihren Antrag darauf, dass sich die Betroffene vor ihrer Erkrankung gegenüber Familienangehörigen und Freunden gegen eine Inanspruchnahme von lebenserhaltenden Maßnahmen für den Fall einer schweren Krankheit ausgesprochen habe.
Das Amtsgericht Stollberg hatte den Antrag und den Hilfsantrag abgewiesen, das Landgericht Chemnitz die Beschwerde der Familienangehörigen/Betreuer zurückgewiesen.
Auf eine Rechtsbeschwerde hin hat der Bundesgerichtshof (XII ZB 202/13) den Familienangehörigen Recht gegeben.
Nach § 1904 II BGB bedarf die Nichteinwilligung oder der Widerruf der Einwilligung des Betreuers in eine Heilbehandlung oder einen ärztlichen Eingriff der Genehmigung des Betreuungsgerichts, wenn die Maßnahme medizinisch angezeigt ist und die begründete Gefahr besteht, dass der Betroffene auf Grund des Unterbleibens bzw. des Abbruchs der lebenserhaltenden Maßnahme stirbt. Eine solche betreuungsgerichtliche Genehmigung ist jedoch dann nicht erforderlich, wenn der Betroffene einen entsprechenden eigenen Willen bereits in einer bindenden Patientenverfügung nach § 1901a I BGB niedergelegt hat und diese auf die konkret eingetretene Lebens- und Behandlungssituation zutrifft.
Liegt dagegen keine wirksame Patientenverfügung vor, habe der Betreuer die Behandlungswünsche oder den mutmaßlichen Willen des Betreuten festzustellen. Die hierauf beruhende Entscheidung des Betreuers bedürfe dann nicht der betreuungsgerichtlichen Genehmigung, wenn zwischen ihm und dem behandelnden Arzt Einvernehmen darüber besteht, dass die Nichterteilung oder der Widerruf der Einwilligung dem festgestellten Willen des Betroffenen entspricht (§ 1904 IV BGB).
In den verbleibenden Fällen, in denen eine betreuungsgerichtliche Genehmigung erforderlich ist, sei diese gemäß § 1904 III BGB vom Betreuungsgericht zu erteilen, wenn die Nichteinwilligung oder der Widerruf der Einwilligung dem Willen des Betroffenen entspricht. Das Betreuungsgericht habe bei dieser Prüfung zwischen den Behandlungswünschen einerseits und dem mutmaßlichen Willen des Betroffenen andererseits zu unterscheiden. Behandlungswünsche könnten etwa alle Äußerungen eines Betroffenen sein, die Festlegungen für eine konkrete Lebens- und Behandlungssituation enthalten, aber den Anforderungen an eine Patientenverfügung i.S.d. § 1901a I BGB nicht genügten. Auf den mutmaßlichen Willen des Betroffenen sei nur abzustellen, wenn sich ein erklärter Wille des Betroffenen nicht feststellen lässt.
Für die Feststellung des behandlungsbezogenen Patientenwillens gelten strenge Beweismaßstäbe, die der hohen Bedeutung der betroffenen Rechtsgüter – dem Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen einerseits und dem Schutz des Lebens andererseits – Rechnung zu tragen haben. Die bei der Ermittlung und der Annahme eines Behandlungswunsches oder des mutmaßlichen Willens zu stellenden strengen Anforderungen gelten unabhängig davon, ob der Tod des Betroffenen unmittelbar bevorstehe oder nicht.
Auf der Grundlage dieser gesetzlichen Regelungen hat der Bundesgerichtshof die angefochtene Entscheidung aufgehoben. Das Landgericht Chemnitz sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass hier wegen des nicht unmittelbar bevorstehenden Todes der Betroffenen noch strengere Beweisanforderungen für die Feststellung des mutmaßlichen Patientenwillens gälten, als in anderen Fällen. Bei seiner erneuten Prüfung werde das LG Chemnitz etwaige geäußerte Behandlungswünsche der Betroffenen unter Anlegung des zutreffenden Prüfungsmaßstabs neu zu ermitteln haben.
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